noch ein Nachtrag zu den Familien Hammig:
August Richard Hammig (1883-1979)
August Richard Hammig erlernte das Handwerk des Holzblasinstrumentenmachers bei seinem Vater Gustav Adolf Hammig (1858-1947). Die Gründung einer eigenen Firma ist bereits 1906 dokumentiert. Allerdings erhielt er erst 1912 seinen Meisterbrief. Er baute Piccolos und Konzertflöten in Metall und Holz. Der 1979 im Alter von 95 Jahren verstorbene August Richard Hammig gilt als einer der berühmtesten deutschen Flötenbauer des 20. Jahrhunderts. Seine Querflöten und Piccolos gehörten auch international zu den begehrtesten deutschen Solisteninstrumenten. Er selbst hatte 1970 mit dem Flötenbau aufgehört; die nach 1970 unter seinem Namen gebauten Instrumente stammen von seinem Schwiegersohn Fritz Berndt. Bis etwa Mitte der 50er Jahre wurde die Modellbezeichnung "Recital" verwendet. Später wurde sie weggelassen: ein anderer Hersteller hatte sich den Markennamen schützen lassen und stellte für die Überlassung finanzielle Forderungen.
1988, nach dem Tod von Fritz Berndt, konnte Gerhard Hammig, der Sohn und frühere Inhaber der Firma von Philipp Hammig, die immer noch private Werkstatt August Richard Hammig von der Familie Berndt übernehmen. Der Erwerb schien nicht ganz harmonisch abzulaufen: Über den Erwerb der Geschäftsbücher mit dem Verzeichnis der Seriennummern sämtlicher A.R. Hammig Instrumente konnten man sich nicht einigen. Sie sind für immer verloren: sie wurden dem Vernehmen nach von einem Mitglied der Familie Berndt vernichtet. Nach der Privatisierung konnte Gerhard Hammig im Februar 1991 auch seinen väterlichen Betrieb erwerben und war seitdem Inhaber beider Firmen.
In gemeinsamen Betriebsräumen werden heute sowohl die Modelle von Philipp Hammig als auch die von August Richard Hammig gefertigt. August Richard Hammig Konzertflöten gibt es heute in Grenadill, Vollsilber und Gold, daneben gibt es Grenadill-Piccolos und ein Altflöten-Modell.
Philipp Hammig (1888-1967)
Philipp Hammig, der im Jahr 1967 verstorbene Bruder von A. R. Hammig, war nahezu ebenso berühmt. Genau wie sein Bruder erlernte er den Flötenbau im väterlichen Betrieb. Von 1909 bis 1914 arbeitete er in der Werkstatt des berühmten Berliner Flötenbauers Emil Rittershausen. 1920 erhielt er - mit kriegsbedingter Verzögerung - seinen Meisterbrief und begann mit dem Flötenbau unter eigener Firma.
Gerhard Hammig (1927-1995), Philipp Hammigs Sohn, begann seine Ausbildung zum Flötenbauer 1941 im väterlichen Betrieb. 1959/1960 übernahm er die Leitung des väterlichen Betriebs und produzierte Querflöten weiter unter dem Markennamen "Philipp Hammig". Unter seiner Leitung wurde die Produktion erheblich vergrößert. Bis 1960 waren pro Jahr etwa 85 Flöten entstanden, bis 1969 stieg die Zahl auf durchschnittlich über 220. In den 70er und 80er Jahren stieg die Produktion weiter an; darüber hinaus wurden früher auch andere Flötenbauer der Region mit Halbfertigteilen beliefert (z.B. Gustav Reinhold Uebel). Im Jahr 2002 war man bereits bei Ser. Nr. 27800.
Zu Zeiten der Zeit der DDR konnte die Firma Philipp Hammig wegen ihrer Größe und Wichtigkeit für die Beschaffung von Devisen einer Verstaatlichung nicht aus dem Weg gehen. 1961 musste sie der PGH (Produktionsgenossenschaft des Handwerks) "Sinfonia" beitreten. 1972 erfolgte dann die endgültige Enteignung durch Umwandlung in einen VEB ("Volkseigener Betrieb").
Gerhard Hammig arbeitete dort bis 1979, zuletzt als Angestellter im ehemals eigenen Betrieb. 1980 verließ er den Betrieb, da er unter dem Druck des Staates nicht mehr weiterarbeiten konnte. Er war sogar für kurze Zeit inhaftiert. Auch für Philipp Hammig Flöten gibt es keinerlei Unterlagen mehr, welche Seriennummern wann hergestellt worden waren: sie sind in den Wirren der "Wende" verlorengegangen.
Nach der Privatisierung des langjährigen Staatsbetriebs war es Gerhard Hammig im Februar 1991 möglich, seine ehemalige Firma zurückzukaufen. Anfang 1994 übergab er den Betrieb an seine 4 Kinder. Im selben Jahr wurde die Firma Hammig Inhaber der Marke "Karl-Christian Lederer" und baut seitdem auch Instrumente nach dem Lederer Modell.
Bei den Philipp Hammig-Querflöten wurde bereits Ende der 80er Jahre hinsichtlich des Stylings der Klappen eine Abkehr vom traditionellen Vorbild hin zum internationalen Design vorgenommen. Man versprach sich davon bessere Chancen auf dem Weltmarkt. Die "Mendler-Deckel" wurden durch die internationale Deckelform (mit Rille) ersetzt, ebenso verschwanden 2 der 3 Rollen am Fußstück, der lange Gis-Hebel wurde gekürzt. Das alte Klappen-Design, der Hoch-G-A-Triller und das Fußstück mit 3 Rollen sind allerdings weiter auf Bestellung erhältlich.
Von Januar 1994 an bis heute wird der Betrieb von Gerhard Hammigs Tochter Steffi Noack (geb. Hammig) und seinen Söhnen Gunter, Frank und Thomas weitergeführt. Gunter und Frank Hammig sind Holzblasinstrumenten-Meister. Einschließlich der Firmeninhaber sind bei Hammig heute immerhin 26 Holzblasinstrumentenmacher tätig.
Philipp Hammig Konzertflöten gibt es in Grenadill-, Silberkopf- und Vollsilber-Ausführung. Daneben sind die Piccolos sehr gefragt. Sie werden aus Grenadill- und Kokosholz gebaut und sind mit versilberter Mechanik und mit Vollsilberklappen erhältlich, mit und ohne Hoch-Gis-Mechanik. Vor 1 1/2 Jahren stellte man das erste Philipp Hammig Piccolo mit Hoch-G-A-Triller (!) vor. Die früher viel gebauten Metallpiccolos werden wegen der geringen Nachfrage heute nur noch auf Bestellung angefertigt. Seit 2002 wird ein neues Piccolo-Modell unter der Marke "Johannes Gerhard Hammig" gebaut.
Auch die tiefen Mitglieder der Flötenfamilie werden bei Philipp Hammig schon jahrzehntelang gebaut. Die Altquerflöte gibt es versilbert, mit Silberkopf oder auch aus Holz (!!), weiter gibt es eine Bass-Querflöte, mit oder ohne Trillerklappen.
Helmuth Hammig (1907-1995)
Der ältere Sohn von August Richard Hammig wurde 1907 in Saarbrücken geboren, wo sich die Familie für kurze Zeit aufhielt, wo der Vater sich aber nicht selbständig machen durfte. Zurück in Markneukirchen machte Helmuth seine Lehre im väterlichen Betrieb und lernte nebenher Flöte an der Markneukirchener Musikschule. Er löste bald Philipp Hammig als 1. Flötist im Musikverein ab, in dem August Richard Hammig 1. Oboe spielte. 1936 legte er seine Meisterprüfung ab, 1938 eröffnete er in Markneukirchen eine eigene Werkstatt, die zunächst als Zulieferer für den väterlichen Betrieb arbeitete. Die Kriegszeit überstand er im Musikkorps der Wehrmacht, 1947 nach Ende der Kriegsgefangenschaft kehrte er nach Markneukirchen zurück. Kurz darauf begann sein Sohn Dieter eine Lehre im väterlichen Betrieb. In Berlin war nach dem Krieg kein Holzblasinstrumentenbauer übriggeblieben, daher ließ sich Helmuth Hammig 1950 in Ostberlin nieder. Nach dem Mauerbau 1961 wurden die Arbeitsbedingungen sehr schwierig. Es gab verschärfte Materialbeschaffungsprobleme, außerdem wurde von der Außenhandelsgesellschaft DEMUSA, die seine Instrumente exportierte, für ihn als "selbständigem" Handwerker nur ein kümmerlicher Anteil der Einnahmen weitergegeben. Instrumente an Privatkunden durften nur noch "in der Freizeit" hergestellt werden. So hatte Helmuth Hammig kein Interesse am Ausbau des Geschäfts. Als sein Sohn Dieter 1971 plötzlich starb, stellte er die Produktion neuer Instrumente ein und machte nur noch Reparaturen. In seiner Berliner Werkstatt baute H. Hammig von 1950-1971 etwa 460 Konzertflöten und Piccolos.
Johannes Hammig (1911-1993)
war der jüngere Sohn von August Richard Hammig und wurde 1911 in Markneukirchen geboren. Er begann seine Ausbildung zum Holzblasinstrumentenbauer 1926 im väterlichen Betrieb. Nach Rückkehr aus russischer Kriegsgefangenschaft wollte er nicht in Markneukirchen bleiben. Im Jahre 1951 übersiedelte er nach Freiburg in Westdeutschland, wo er 1952 eine Werkstatt gründete. Einige Jahre später zog die Firma nach Lahr im Schwarzwald um. Johannes Hammig baute in Handarbeit silberne und goldene Querflöten der Spitzenklasse. Nach seinem Tod 1993 wurde die Firma von seinem Sohn Johannes Hammig (II) (1935-1999) übernommen, der zu diesem Zeitpunkt bereits fast 40 Jahre in der väterlichen Werkstatt arbeitete. Mittlerweile in der 3. Generation, wird der Betrieb seit 1996 von Bernhard Hammig (geb. 1966) geführt, der den Flötenbau bei seinem Großvater und seinem Vater erlernte und 1992 seine Meisterprüfung ablegte. Seit 1999 wird der Betrieb unter dem Firmennamen "Bernhard Hammig" weitergeführt. Bernhard Hammig beschäftigt derzeit vier Mitarbeiter.
Querflöten aus dem Hause Johannes Hammig wurden früher nur auf Bestellung gebaut. In den 70er und 80er Jahren musste man schon mal bis zu acht Jahren Wartezeit in Kauf nehmen; heute ist es für Kunden wesentlich bequemer geworden: Es sind die meisten Modelle vorrätig und können sofort erworben werden.
Neben Silber- und Goldflöten (bis 22 Karat) werden von Bernhard Hammig seit 1997 wieder Flöten aus Grenadill- und Kokosholz gebaut. Daneben baut man Piccoloflöten aus (über 40 Jahre lang gelagertem) Grenadillholz. E - und Gis - Mechanik gehören zur Standardausführung.
Stand 2004 aus "flöte aktuell"
Ich habe vor zwei Jahren mal für längere Zeit eine Johannes Hammig Flöte gespielt und seitdem wünsche ich mir eine neue Flöte
und zwar eine Hammig. Da leider die "alten" Johannes Hammig sehr selten und sehr teuer sind und außerdem für die heutigen Verhältnisse zu tief intonieren, bin ich inzwischen zu der Erkenntnis gelangt, dass ich für soviel Geld auch eine neue Flöte kaufen kann und dann wird es wohl eine Bernhard Hammig werden, vorausgesetzt, das Probespielen fällt so aus wie bei der Flöte vom Opa
, das war Liebe auf den ersten Ton!