Hallo Danton,
dass der Begriff "Atemstütze" in die Irre führt, wird ja bereits seit vielen Jahren regelmäßig festgestellt, allerdings ist auch der italienische Fachausdruck des
"Apoggio" (Halt, Unterstützung) wie auch der englische
"Support" (Hilfe, Unterstützung) nicht wesentlich hilfreicher. Gleiches gilt für die physiologischen Beschreibungen, was sich dabei im Körper abspielt, wenn bei Bläsern und Sängern der Atem "gehalten" wird. Das liegt nicht allein an unseren spärlichen physiologischen Kenntnissen des Atmungsvorganges, sondern auch an der mangelnden Umsetzbarkeit theoretischen Wissens auf diesem Gebiet. Ab der Geburt ist das Atmen ein autonomer Vorgang, in den das erwachende Bewusstsein erst nach und nach einzugreifen lernt, ohne sich dabei über die einzelnen Abläufe im Klaren zu sein.
Dies erklärt auch, warum innere Bilder die besondere Atemtechnik häufig hilfreicher als analytische Betrachtungen unterstützen. Letztlich braucht jeder Musiker das ihm gemäße "Mantra", das ihm bei der Atemstütze hilft, ungeachtet der Überlegungen, ob es tatsächlich korrekt die Abläufe beschreibt. In dieser Hinsicht verstehe ich auch deinen Hinweis auf die "Lockerheit", die möglicherweise Verkrampfungen vorzubeugen vermag.
Allerdings wäre mir dafür das dünne Heftchen von Robert Kreuzer entschieden zu teuer und ich kann auch nicht so ganz den Tenor billigen, mit dem Kreuzer als großer Aufklärer der Atemstütze auftritt. Mir scheint dieses Sendungsbewusstsein vor allem aus geschäftlichen Überlegungen gespeist und etwas übertrieben, denn auch trotz aller fragwürdigen Lehren und Theorien auf diesem Gebiet haben Sänger und Bläser seit Generationen diese Technik erlernen können und ich denke, hier geht es in erster Linie um eine Fähigkeit, die - ähnlich dem Radfahren - durch eigenes Probieren erlernt werden muss, wobei alle Erklärungen ebenso helfen als auch schaden können.
Der beste Lehrer für die Atemstütze kann das eigene Gehör sein: Der Ton soll in allen Lagen möglichst tragend und gleichmäßig erklingen, die Atemluft dabei sparsam eingesetzt werden. Wer danach strebt, wird automatisch seine Atemstütze mehr und mehr entwickeln, muss aber auch inkauf nehmen, dass dies viel Zeit braucht. Und er sei gewarnt vor dem Einsatz zusätzlicher Hilfsmittel, wenn der Hals zu ersetzen versucht, was dem Bauch noch mangelt.
Elke Gallenmüller hat hierzu 2004 in der Zeitschrift
Musikphysiologie und Musikermedizin einen hervorragenden und erschöpfenden Artikel veröffentlicht, dessen 6-seitige kostenlose Lektüre ich hier allen Flötenlehrern ans Herz legen möchte:
Die Bedeutung der Atemstütze für Bläser. Gallenmüller gibt darin eine verständliche Beschreibung der gegenläufigen Vorgänge bei der Atemstütze, die sie gerne durch den Begriff der
"elastischen Spannhalte" ersetzt sehen möchte.
Viele Grüße
JB