Re: Wie habt Ihr die "Stütze" gelernt?
von Altetröte » 16.09.2011, 09:10
Ja, seht Ihr, das Problem habe ich auch. In der Literatur wird so viel darüber geschrieben, aber richtig erklären kann es niemand.
Einatmen kann ich wohl richtig, aber das kontrollierte Ausatmen ist wohl eher mein Problem. Ich habe hier noch etwas gefunden, was für mein Empfinden die Stütze gut erklärt. Es stammt aus dem Musikerboard:
Was ist die Stütze ?
Ursprünglich ist der Begriff aus der italienischen Belcanto-Schule entlehnt; die Italiener nannten es „appoggio“, was eher Anlehnung bedeutet. Mit Stütze ist eine Verbindung mit der Atemmuskulatur (also Interkostalmuskulatur, d.h. innere und äußere Zwischenrippenmuskeln und Zwerchfell, sowie Bauch-, und Rückenmuskulatur, an der das Zwerchfell hinten befestigt ist). Manche bezeichnen die Stütze als „Verankerung“ („anchoring“) oder Anbindung der Stimme an den Atem. Doch es ist immer dasselbe gemeint: du lässt deine Atemmuskulatur arbeiten, sie wird ein Fundament Deiner Tonerzeugung.
Man sollte den Begriff der Atemstütze zwar nicht ausschließlich auf das Prinzip der aktiven Ausatmung reduzieren, und „appoggio“ umfasst auch noch andere Ansätze, aber sie würden den Rahmen dieser FAQ sprengen. Nur so viel:
Die Stütze ist ein komplexer Vorgang, bei dem viele Muskelgruppen beteiligt sind, deshalb ist die Vielfalt der Definitionen für Anfänger ziemlich verwirrend. Da jeder Mensch anders empfindet und auch die Körperwahrnehmung individuell ist, empfindet auch jeder Sänger die Stütze anders. Während der eine mehr im Brustkorb stützt, bezieht der andere den Bauch mit ein und der nächste spürt beim Stützen eher seine Rückenmuskulatur. Anders ausgedrückt: die Verankerung der Töne in der Leibesmitte, das Spüren, wie die Atemmuskulatur arbeitet, kann von jedem intensiver an einer anderen Stelle empfunden werden.
Über einen Punkt zumindest herrscht Einigkeit: die Kraft kommt nicht aus dem Hals !Und vergiss nicht: im Grunde ist das Stützen ein ganz natürlicher Vorgang, also eine Funktion, die Dein Körper sowieso beherrscht, nur dass Du sie intensiv und bewusst nutzt, wenn Du singst. Wenn du laut rufst oder lachst, werden genau die Muskeln aktiviert, von denen wir die ganze Zeit sprechen, damit der Stimmapparat nicht überanstrengt wird. Wenn unsere Schüler die Stütze nicht finden, d.h. Probleme haben, die Stimme an den Atem anzubinden, machen wir z.B. folgende Übung: sie sollen sich vorstellen, dass sie am Fenster stehen, während jemand unten auf der Straße sie sucht, aber nicht findet bzw. nicht sieht, und durch Rufen („Hey !“ „Hallo !“ „Joe!“ usw.) auf sich aufmerksam machen. Dabei probieren wir auch verschiedene Tonhöhen aus, bleiben aber immer im Rufmodus und wir bitten die Schüler, sich auf die Muskelaktivität zu konzentrieren, die sie beim Rufen spüren.Auch die weiter oben beschriebene „Pferdeschnauben-Übung“ (Lippenvibrato/ lip roll) ist hilfreich zum Spüren der Muskelaktivität.
Spätestens jetzt wird auch klar, warum Atemübungen so wichtig sind – wer eine trainierte Atmungsmuskulatur zur Verfügung hat, kann natürlich lauter und ausdauernder singen, ohne dabei seinen Stimmapparat zu überanstrengen.
Was sollte Stütze nicht sein ?
Alles, was mit Drücken, Pressen, Quetschen und so weiter einhergeht. Weder das Gefühl, wenn man auf dem Klo sitzt und drückt, noch die Pobacken zusammenkneifen, noch den Bauch bewusst einziehen, auch wenn es leider Gottes immer noch Gesangslehrer gibt, die so etwas propagieren – mach es nicht, Deine hohen Töne werden eng, klein und gepresst daherkommen und im schlimmsten Fall schadest Du deiner Stimme.
Literatur:
Gerhard Faulstich: „Singen lehren – singen lernen – Grundlagen für die Praxis des Gesangsunterrichtes, 5. Auflage, Augsburg 2006, Originalausgabe 1997
Michael Pezenburg: „Stimmbildung – Wissenschaftliche Grundlagen – Didaktik – Methodik“, Augsburg 2007
"Ihr wisset, dass ich die blasenden Instrumentalisten nicht leiden kann, denn sie blasen alle falsch"
Alessandro Scarlatti (zu Johann Joachim Quantz)
Pearl Silberflöte 765 RE Quantz - Mehnert Flöte