Re: Vom-Blatt-Spiel
von Christina » 21.08.2009, 16:16
Hallo klara!
Einen Trick ... nein, eher nicht. Ich habe auf jeden Fall noch keinen gefunden. Natürlich wird es mit zunehmender Erfahrung einfacher, aber das ist ja nicht das, was du wissen wolltest. Es gibt allerdings einige Tipps, die man beim Blattspiel beachten sollte, um sich das Leben nicht unnötig schwer zu machen. Vielleicht hilft dir das ja auch schon weiter, auch wenn es jetzt nicht sooo weltbewegend neu ist.
Auf jeden Fall solltest du vor dem Spielen versuchen, dir einen möglichst genauen Überblick über das Stück zu verschaffen. Also: Tonart und Taktart anschauen, überblicken, ob es irgendwelche Taktartwechsel oder ähnliches gibt, die zu "Stolperstellen" werden können, Wiederholungen mit den jeweiligen Anschlußstellen klarmachen, Fachbegriffe soweit nötig gedanklich übersetzen (geben oft einen Hinweis auf den Charakter) usw.
Dann finde ich es wichtig, schon vor dem ersten Spielen eine ungefähre Melodievorstellung zu haben. Ich schaue mir also zumindest die ersten Takte genau an und versuche mir vorzustellen, wie die klingen, wenn ich sie spiele.
Ein Problem beim Blattspiel ist häufig das Tempo. Nicht selten lässt man sich durch einige leichte Anfangstakte verführen, ziemlich schnell zu starten und bekommt dann bei evtl. auftauchenden schwierigeren Stellen Probleme. Zumindest wenn ich alleine spiele überlege ich mir also vorher, welche Stellen möglicherweise kompliziert sind, versuche mir vorzustellen, in welchem Tempo ich sie wahrscheinlich noch halbwegs "unfallfrei" spielen kann und übertrage dann dieses Tempo auf das ganze Stück.
Hilfreich ist es, wenn man bestimmte häufig wiederkehrende Muster als fertige "Einheiten" abgespeichert hat und dann nur noch abspulen muss. Dazu gehören bei mir zum Beispiel Tonleiterausschnitte, Akkordbrechungen oder auch bestimmte rhythmische Figuren, die ich inzwischen als Ganzes wahrnehme und mir nicht mehr in jedem neuen Stück wieder Ton für Ton "erlesen" muss. Um das zu schaffen braucht man natürlich einfach eine gewisse Übung und Erfahrung, das kommt mit der Zeit.
Eigentlich immer, beim Blattspiel finde ich es aber besonders wichtig, sollte man versuchen, mit den Augen schon einige Töne weiter zu sein, als man eigentlich spielt. So ist man schon auf das vorbereitet was kommt und kommt nicht so leicht ins Stocken, wenn es etwas schwieriger wird.
Gerade beim Blattspiel ist es meiner Meinung nach auch je nach Situation (in einer Prüfung wahrscheinlich eher weniger, im Orchester schon) erlaubt, eine Stimme erstmal bis zu einem gewissen Grad zu vereinfachen. Also z.B. Verzierungen wegzulassen oder eine schwierige Artikulation abzuändern um flüssig spielen zu können.
Ansonsten hilft wirklich nur ganz ganz viel spielen, dann wird das schon mit der Zeit! Meine Orchesterstücke spiele ich eigentlich inzwischen zu 95% komplett vom Blatt - einfach weil ich die wenige Zeit, die ich zum Üben habe, lieber mit Sachen verbringe, die mir wirklich Spaß machen. Auch mit meinen Schülern übe ich das Blattspiel von Anfang an regelmäßig, indem wir einfach viele unbekannte Stücke "mal eben so" durchspielen, ohne lange daran herumzuüben. Auch das gemeinsame Spielen mit anderen hilft da unheimlich viel weiter, weil man oft ganz einfach sehen muss, dass man irgendwie durch seine Stimme durchkommt, auch ohne sich erst lange darauf vorzubereiten.
Viel Spaß beim Üben, du schaffst das schon!
Liebe Grüße
Christina